4. Juli 2019

EuGH erklärt verbindliche Mindest- und Höchstsätze der HOAI für europarechtswidrig!

Von Lutz Paproth – Gerichtsurteile Immobilienrecht Architektenrecht

Die 4. Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) hat am 04.07.2019 durch Urteil (Az.: C 377/17) festgestellt, dass die in der HOAI festgelegte Pflicht zur Einhaltung von Mindest- und Höchstsätzen (vornehmlich in § 7 Abs. 1, 3 und 4 HOAI) einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsfreiheit darstellt. Der EuGH hat sich insoweit den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 28.02.2019 angeschlossen und diese bestätigt. Die sonstigen Inhalte der HOAI sind von dem Urteil des EuGH jedoch nicht berührt! Das Urteil ist unanfechtbar und damit bindend.

Die Bundesregierung ist nunmehr gehalten, die Pflicht zur Beachtung verbindlicher Mindest- und Höchstsätze (§ 7 Abs. 1 HOAI) umgehend abzuschaffen. Nach den Ausführungen des AHO (Ausschusses der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V.) wird das Verfahren zur Anpassung der HOAI voraussichtlich ein Jahr in Anspruch nehmen.

Wesentliche Rechtsfolge für die Praxis wird sein, dass Architekten, Ingenieure und Bauherren sich nicht mehr auf die HOAI berufen können, um eine Unter- oder Überschreitung des Honorarrahmens einzuklagen. Nach Auffassung des AHO sind die deutschen Gerichte und Behörden an das Urteil gebunden. Laufende Verfahren dürften somit keine Aussichten mehr auf erfolgt haben. Abweichende Einzelfallentscheidungen sind jedoch möglich.

Welche Bedeutung hat das Urteil nunmehr für die Praxis?

• Die bis zur Entscheidung des EuGH geschlossenen Planungsverträge bleiben generell wirksam. Eine Änderung bzw. Anpassung ist grundsätzlich nicht erforderlich.

• Der geschuldete Leistungsumfang, insbesondere die verpflichtende Erbringung aller Grundleistungen ist nicht von der Vergütungsabrede des Vertrages abhängig, sondern von den Regelungen des Vertrages zum Leistungssoll oder ist durch Auslegung zu ermitteln. Hier wird die bestehende Rechtsprechung weiter Anwendung finden.

• Honorarvereinbarungen innerhalb des Rahmens der bisherigen Mindest- und Höchstsätze werden durch das Urteil ebenfalls nicht berührt. Verweist eine Vereinbarung auf die Systematik der HOAI, kann die Honorarforderung anhand der betreffenden Regelungen bestimmt werden. Vorbehaltlich etwaiger Einzelfälle führt das heutige Urteil zudem weder zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB, noch zu einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB.

• In den Fällen, in denen die Planerverträge Mindestsatzunter- oder Höchstsatzüberschreitungen beim Honorar enthalten, ist nun kein Rückgriff auf die Mindest- bzw. Höchstsätze der HOAI mehr möglich. Dies gilt auch bei Stufenverträgen.

• Fehlt eine konkrete Honorarvereinbarung, sollte das Honorar im Wege einer Nachverhandlung verbindlich festgelegt werden. Anderenfalls könnte im Falle einer streitigen Auseinandersetzung die Auffangregelung des § 7 Abs. 5 HOAI zum Tragen kommen, wonach bei fehlender schriftlicher Honorarvereinbarung bei Auftragserteilung unwiderleglich vermutet wird, dass die jeweiligen Mindestsätze vereinbart sind. Der bisherige Mindestsatz könnte insoweit als ortsübliche Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB ausgelegt werden.

• Ein die Mindestsätze unterschreitendes oder die Höchstsätze überschreitendes Angebot dürfte wohl in laufenden Ausschreibungsverfahren nicht mehr ausgeschlossen werden. Der öffentliche Auftraggeber darf allerdings weiter bei der Vertragsgestaltung an den Richtwerten der HOAI als Empfehlung des Verordnungsgebers orientieren. Ein Anspruch der Architekten und Ingenieure darauf besteht jedoch nicht mehr.

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