13. Februar 2019

Kein Schadenersatz wegen fehlender Pläne!

Von Lutz Paproth – Immobilienrecht

Kammergericht Berlin:
Kein Schadensersatz wegen fehlender Pläne!

Ein Bauvertrag begründet im Grundsatz keine terminbezogenen Pflichten des Bestellers, auch wenn die Parteien Vertragsfristen vereinbart haben. In diesem Fall ist die Mitwirkung des Bestellers zur Einhaltung von Ausführungsfristen generell nicht als vertragliche (Neben-)Pflicht, sondern nur als Obliegenheit ausgestaltet, so dass dem Unternehmer bei Störungen des Bauablaufs keine Ansprüche aus § 6 Abs. 6 VOB/B oder §§ 280, 286 BGB zustehen.

Auch stellt es keine Pflichtverletzung dar, wenn der Besteller dem Unternehmer vor oder während der Ausführungsphase keine Ausführungsplanung für seine Leistung übergibt.

Diese Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Urteil KG vom 29.01.2019, 21 U 122/18) birgt aber auch weitere Feststellungen, die bemerkenswert sind. Im Einzelnen:

1. § 642 Annahmeverzug des Auftraggebers

a. Entstehung eines Nachteils ist Anspruchsvoraussetzung
Das Kammergericht stellt ohne Wenn und Aber fest, dass einem Unternehmer nur dann ein Anspruch aus § 642 BGB zustehen kann, wenn ihm durch den Mitwirkungsverzug des Bestellers ein Nachteil entstanden ist. Das Erfordernis einer Nachteilsentstehung ist eine zwingende Folge des Umstands, dass der Anspruch aus § 642 BGB von den Parteien bei Vertragsschluss in der Regel nicht beziffert worden ist.

b. Baufreiheit
Auch die Frage der Baufreiheit als Voraussetzung eines Annahmeverzugs des Bestellers wird abgearbeitet. Das Kammergericht stellt klar, dass der Unternehmer zur Leistungserbringung nur dann in der Lage ist, wenn ihm der Besteller das Grundstück bei Fristbeginn baufrei überlässt, was dem Besteller folglich als Mitwirkung im eigenen Interesse obliegt. Wann das Grundstück als "baufrei" anzusehen ist, d.h. welche Behinderungen der Unternehmer ggf. hinzunehmen hat und welche nicht, richtet sich danach, wie die Kooperation der Vertragsparteien im konkreten Einzelfall durch den Bauvertrag ausgestaltet ist, das heißt, wie die Mitwirkungsschnittstelle zwischen den Vertragsparteien durch den Vertrag definiert ist.

c. Mitwirkungsverzug auch bei Verlangsamung der Bautätigkeit
Das Kammergericht stellt klar, dass es unerheblich ist, dass eine Bautätigkeit nicht zwangsläufig zu einem nicht geplanten vorübergehenden Stillstand kommen muss, sondern möglicherweise nur langsamer voranschritt als vorgesehen. Denn auch wenn der Mitwirkungsverzug des Bestellers nicht zum Stillstand, sondern nur zur Verlangsamung der Arbeiten des Unternehmers führt, steht dem Unternehmer eine Entschädigung nach § 642 BGB zu, sofern er aufgrund dieser Verlangsamung seine Produktionsmittel länger vorhalten muss.

Tatsächlich dauert der Annahmeverzug so lange, wie der Besteller dem Unternehmer das Grundstück nicht in der Weise baufrei überlässt, wie es der Unternehmer nach dem Vertrag erwarten darf. Wenn der Unternehmer die verlangsamende Störung nicht einplanen musste, besteht der Verzug deshalb für die gesamte Dauer dieser Störung (also den gesamten verlangsamten "Ist-Ablauf"), sodass grundsätzlich sämtliche Nachteile erstattungsfähig sind, die dem Unternehmer während des gestörten Prozesses entstehen.

Der Unternehmer muss aber vortragen,

  • welche konkreten Störungen aus der Mitwirkungssphäre des Bestellers es nach dem Baubeginn gegeben haben soll, und
  • dass die hiervon betroffenen Prozesse terminkritisch waren und daher für den Unternehmer keine Möglichkeit bestand, terminneutral auf die Abarbeitung eines ungestörten Prozesses auszuweichen.

Nur dann kann die verlangsamende Störung beim Unternehmer zu erhöhten Vorhaltekosten geführt haben, das Faktum eines verlangsamten Bauablaufs allein genügt hierfür nicht.

d. Zeitbezogener Umsatzverlust aus dem Bauvertrag kein Nachteil
Das Kammergericht stellt fest, dass ein Unternehmer aus § 642 BGB keine Entschädigung für einen zeitbezogenen Umsatzausfall beanspruchen kann, der ihm aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers entstanden ist. Danach ist der Unternehmer nach § 642 BGB nur für Nachteile zu entschädigen, die ihm durch den vergeblichen Vorhalt von Produktionsfaktoren während des Mitwirkungsverzugs des Bestellers entstehen. Dies spricht dafür, dass gemäß § 642 BGB nur Nachteile auszugleichen sind, die in der Erhöhung seiner Kosten liegen, nicht aber ausgebliebene Umsatzerlöse. Die Beschränkung des Anspruchs aus § 642 BGB ausschließlich auf Vorhaltekosten ergibt sich nach der Einschätzung des Kammergerichts schon daraus, dass der Bundesgerichtshof sogar die Entschädigungsfähigkeit von Kostennachteilen verneint, die keine Vorhaltekosten sind, sondern Kostensteigerungen. Damit muss die Entschädigungsfähigkeit von Umsatznachteilen erst recht ausgeschlossen sein.

Der Annahmeverzug des Werkbestellers führt beim Unternehmer im Regelfall nicht zwangsläufig zu einem Umsatzverlust, sondern nur zu Vorhaltekosten. Wegen des beträchtlichen Umfangs, den eine Entschädigung für einen zeitbezogenen Umsatzausfall erreiche - sie beliefe sich auf die zeitbezogene große Kündigungsvergütung - wäre es deshalb nicht interessengerecht, den Unternehmer nach § 642 BGB pauschalierend für einen Nachteil zu entschädigen, der ihm in dieser Form möglicherweise gar nicht entstanden ist. Vielmehr ist es ausreichend, wenn er nur für die Kosten entschädigt wird, die ihm für tatsächlich vergeblich vorgehaltene Produktionsfaktoren entstanden sind.

e. Umsatzverlust aus einem anderen Vertrag kein Nachteil
Diese Ansprüche verneint das Kammergericht mit der Begründung, dass dieser Nachteil nach Wegfall des Annahmeverzugs entstanden und somit nicht nach § 642 BGB entschädigungsfähig ist.

f. Zeitbezogene "AGK-Unterdeckung" bzw. Vorhalt des Gesamtunternehmens kein Nachteil
Auch diese Ansprüche verneint das Kammergericht mit dem Hinweis darauf, dass es sich nur bei Produktionsmitteln, deren Einsatz zu direkten Kosten der Bauleistung führen (also Einzelkosten der Teilleistungen und Baustellengemeinkosten), sinnvoll davon sprechen lässt, dass sie für ein Bauvorhaben vorgehalten werden. Denn ein Produktionsmittel ist nur dann für einen Vertrag "vorgehalten", wenn der Unternehmer es in einem bestimmten Zeitraum ausschließlich hierfür bereithält, sodass es nicht für andere Verträge eingesetzt werden kann. Hingegen hält ein Unternehmer seinen darüber hinausgehenden allgemeinen Geschäftsbetrieb niemals nur für ein Projekt vor. Wenn nicht ohnehin zeitlich parallele Verträge abgearbeitet werden, dient der allgemeine Geschäftsbetrieb eines Unternehmers immer auch dazu, dass frühere Aufträge abgerechnet und neue akquiriert werden und somit die Fortsetzung des Unternehmens sichergestellt ist. Damit fehlt es an einem Vorhalten des allgemeinen Geschäftsbetriebs in Bezug auf einen konkreten gestörten Vertrag.

g. Vorhalt von Arbeitskräften als Nachteil
Dieser Anspruch wird nur für den Fall festgestellt, als die Arbeitskräfte nicht anderweitig eingesetzt werden können. Produktionsmittel sind nur dann für einen Vertrag vorgehalten, wenn der Unternehmer sie in einem bestimmten Zeitraum ausschließlich für diesen bereithält, sodass sie in Folge des Annahmeverzugs brachliegen. Dies ist bei Personal eher fernliegend.

Da es der Unternehmer ist, der eine Entschädigung aus § 642 BGB beansprucht, hat er im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, in welchem Umfang er in Folge des Mitwirkungsverzugs des Bestellers seine Arbeitskräfte vergeblich vorgehalten hat. Da eine Arbeitskraft nur dann für einen Auftrag vorgehalten ist, wenn der Unternehmer nicht durch anderweitigen Einsatz mit ihr Umsatz erzielt, gehört zur Darlegung des Vorhalts einer Arbeitskraft, dass der Unternehmer im fraglichen Zeitraum mit ihr keinen anderweitigen Erwerb erzielen konnte. Während der anderweitige Erwerb bei den Ansprüchen eines Leistungserbringers aus §§ 611, 615 oder aus § 649 BGB a.F. nicht zur Anspruchsbegründung gehört, sondern eine Einwendung des Leistungsempfängers darstellt, ist sein Fehlen im Rahmen von § 642 BGB also eine anspruchsbegründende Voraussetzung.

2. Kein Anspruch aus § 304 BGB

Diese Vorschrift hat nach Auffassung des Kammergerichts einen recht engen Anwendungsbereich und regelt im Wesentlichen den Ersatz für Lager- und Sicherungskosten, nicht aber die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vorhaltekosten, geschweige denn, dass sich aus ihr ein Ersatz für annahmeverzugsbedingte Umsatzverluste herleiten ließe.

Es steht zu erwarten, dass sich der Bundesgerichtshof der Klärung der aufgeworfenen Fragen widmen wird.

München, 12.02.2019
Lutz Paproth
Rechtsanwalt

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