8. Januar 2021

Keine Mietminderung wegen Corona

Von Nikolai Dressler – Mietrecht Gerichtsurteile

1) Sind gewerbliche Mieter im Bereich des Einzelhandels während des ersten Lockdowns von Betriebsschließungen betroffen, steht ihnen unter keinem Rechtsgrund ein Anspruch auf eine Reduzierung der Miete zu.
2) Das COVID-19-Pandemie-Gesetz, insbesondere § 240 EGBGB, stellt eine abschließende Regelung dar, die gegenüber möglichen Ansprüchen aus einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB eine Sperrwirkung entfaltet (im Anschluss an Klimesch/Walther, ZMR 2020, 556; Illies, IMR 2020, 223).
3) Die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage sind im Übrigen auch deshalb nicht anwendbar, weil es im Hinblick auf den in zeitlicher Hinsicht auf wenige Wochen begrenzten Lockdown schon an der gravierenden Verschiebung der wirtschaftlichen Äquivalenz fehlt. Dabei ist im Hinblick auf den Umsatzausfall die mehrjährige wirtschaftliche Entwicklung in den Blick zu nehmen und gleichzeitig die durch ein Filialsystem bedingte besondere wirtschaftliche Belastung auszublenden.
4) Die Annahme einer Unmöglichkeit nach den §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB verbietet sich ebenso von vorneherein wie die Annahme eines Mietmangels (im Anschluss an BGH, NJW 2011, 3151; a. A. LG München I, IMR 2020, 500).

LG München II, Urteil vom 06.10.2020 - 13 O 2044/20 (nicht rechtskräftig: Rechtsmittel OLG München, Az. 32 U 6358/20)

Sachverhalt
Bei einem gewerblichen Mietverhältnis entrichtet der Mieter für die Dauer des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 die Miete für sein Einzelhandelsgeschäft nicht. Er sei durch die landesrechtlich, hier mit Allgemeinverfügung der Bayerischen Staatsministerien für Gesundheit und Pflege und für Familie, Arbeit und Soziales vom 16.03.2020 verfügte Betriebsschließung unmittelbar betroffen, insbesondere müsse er schließen da sein Geschäft nicht von einer Ausnahmeregelung erfasst sei. Der Mieter wird daraufhin auf Zahlung der vollständigen Miete verklagt.

Entscheidung
Der Mieter wurde von dem Landgericht München II zur Zahlung der vollständigen Miete verurteilt. Eine Verpflichtung zur Zahlung der Miete entfällt im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie und damit verbundener landesrechtlicher Allgemeinverfügung und Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen nicht. Das Auftreten der Pandemie steht in keinem Zusammenhang mit dem Mietobjekt, sodass ein Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 BGB nicht besteht.

Der Mieter kann sich auch nicht auf eine Unmöglichkeit gemäß §§ 326, 275 BGB stützen, eine vom Vermieter geschuldete Überlassung der Mietsache zum bestimmungsgemäßen Gebrauch liegt vor, die Verpflichtung zur Mietzahlung entfällt nicht, das Risiko der Nutzbarkeit der Mietsache liegt nach § 537 Abs. 1 BGB beim Mieter.

Auch eine Anpassung des Mietvertrages nach den Grundsätzen einer Störung der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Betracht. Das Landgericht hatte bereits Zweifel hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen, da eine fünf-wöchige Schließung und damit einhergehende Umsatzeinbußen im Hinblick auf das langfristig abgeschlossene und bereits mehrere Jahre laufende Mietverhältnis als überschaubarer anzusehender Zeitraum in das mieterseitige Risiko der Umsetzung des Betriebskonzeptes fällt. Die besondere wirtschaftliche Belastung für den Mieter bestand vielmehr darin, dass alle Filialen des Mieters von Umsatzeinbußen betroffen waren, was jedoch nicht zur Geschäftsgrundlage der streitgegenständlichen Vertragsbeziehung gehört. Darüber hinaus ist die Anwendung der Grundsätze einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB jedenfalls ausgeschlossen, da der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie in Artikel 240 EGBGB eine abschließende Regelung getroffen hat, welche eine Reduzierung oder einen Entfall der Miete nicht vorsieht.

Praxishinweis
Das Gericht stellt mit seiner - bisher aufgrund Rechtsmitteleinlegung nicht rechtskräftigen - Entscheidung heraus, dass gerade die vom Gesetzgeber zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie erlassenen Regelungen des Artikel 240 EGBGB abschließend sind. Weitere Privilegierungen können aufgrund der Corona-Pandemie weder über die Regelungen des Mietrechts noch des allgemeinen Teils des BGB hergeleitet werden. Die Entscheidung der Rechtsmittelinstanz bleibt abzuwarten.

Dies sah das Landgericht München I mit Urteil vom 22.09.2020, Az. 3 O 4495/20, noch anders und nahm einen Mangel der Mietsache und einen damit einhergehenden Minderungsanspruch an, wie auch eine Störung der Geschäftsgrundlage.

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