8. August 2017

BGH entscheidet zu den Rechtsfolgen von Witterungseinflüssen beim Bau

Gerichtsurteile Bauvertragsrecht

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 20.04.2017, Az. VII ZR 194/13 entschieden, dass dem Auftraggeber bei unvorhersehbaren und außergewöhnlichen Witterungseinflüssen keine Mitwirkungshandlung nach § 642 BGB trifft. Der Auftraggeber hat keine ungünstigen Witterungseinflüsse auf das Baugrundstück abzuwehren, mit denen nicht gerechnet werden konnte.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, indem ein Auftragnehmer in 2009 auf Grundlage der VOB/B mit der Errichtung einer Autobahnbrücke beauftragt war. Aufgrund außergewöhnlicher Witterungsumstände im Winter 2010 mussten aufgrund Frost, Eis und Schnee die Bauausführungen wochenlang eingestellt werden. Diese zeigte der der Auftragnehmer mit einer Behinderungsanzeige dem Auftraggeber an. Erst im späten Frühjahr konnten die Bauarbeiten fortgesetzt werden, weswegen der Auftragnehmer ein Nachtragsangebot von ca. € 100.000,00 geltend machte, dass der Auftraggeber jedoch ablehnte. Das Nachtragsangebot umfasste die Kosten der Baustelleneinrichtung, Baustellengemeinkosten, Personal sowie Kosten der Unterdeckung der allgemeinen Geschäftskosten während der witterungsbedingten Verzögerung. Sowohl der Bundesgerichtshof als auch die Vorinstanzen lehnten die vom Auftragnehmer erhobene Zahlungsklage ab.

Der Leitsatz der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.04.2017 lautete wie folgt:

„Es ist vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen keine dem Auftraggeber obliegende erforderliche Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642 BGB, während der Dauer des Herstellungsprozesses außergewöhnlich ungünstige Witterungseinflüsse auf das Baugrundstück in Form von Frost, Eis und Schnee, mit denen nicht gerechnet werden musste, abzuwehren.“

Der Auftragnehmer hatte keinen Anspruch auf die Zahlung der ca. € 100.000,00, da die Parteien keine Anpassung der Vergütung für den Fall einer außergewöhnlich ungünstigen Behinderung des Auftragnehmers aufgrund von Witterungseinflüssen und eine dadurch entstehende Verlängerung der Ausführungsfristen gemäß § 6 Abs. 1, 2 VOB/B vereinbart hatten.

§ 6 Ziffer 2 VOB/B (Fassung 2006, die insoweit identisch mit der Fassung 2009 ist) enthält die klarstellende Regelung, dass Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebots normalerweise gerechnet werden musste, nicht als Behinderung gelten.

Im vorliegenden Sachverhalt stellten die Gerichte fest, dass die Witterungseinflüsse deutlich über den Durchschnittswerten der vorausgegangenen 30 Jahre lagen. Damit führen sie zur Verlängerung der Ausführungsfristen und für den Fall, dass der Bauherr die Behinderung nicht zu vertreten hat, verweist § 6 Nr. 6 Satz 2 VOB/B dann auf die Anspruchsgrundlage des § 642 BGB. Damit ist die Anwendung des § 642 BGB zwar auch im VOB-Vertrag möglich, wenn eine Behinderungsanzeige erfolgt ist. Auch diese Voraussetzung hatte der Auftragnehmer im vorliegenden Sachverhalt erfüllt. Der BGH stützte sich jedoch in seiner Argumentation auf den eingeschränkten Anwendungsbereich des § 642 BGB. Die Vorschrift ist nur dann anzuwenden, wenn den Auftraggeber eine Verpflichtung zur Mitwirkungshandlung trifft und dieser diese Handlung unterlassen hat bzw. in Verzug der Annahme ist. Eine solche Mitwirkungspflicht ist zum einen, dass der Bauherr das betreffende Baugrundstück während des Herstellungsprozesses für die Erbringung der vereinbarten Leistung zur Verfügung zu stellen hat. Hieraus ergibt sich auch, dass der Bauherr grundsätzlich ebenso gehalten ist, dass Baugrundstück in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass der Auftragnehmer die von ihm geschuldeten Leistungen erbringen kann. Auf Witterungsverhältnisse, seien sie absehbar oder wie im vorliegenden Sachverhalt äußerst ungewöhnlich, hat der Auftraggeber jedoch keinen Einfluss. Das allgemeine Lebensrisiko in solchen Fällen trifft den Auftragnehmer, der seinerseits nur durch eine vertragliche Vereinbarung dieses auf den Bauherren verlagern kann. An einer solchen vertraglichen Vereinbarung fehlte es jedoch im vorliegenden Sachverhalt, weswegen dem Auftragnehmer kein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB zustand. Ein Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 oder 6 VOB/B ergab sich mangels Anordnung des Bauherrn ebenso nicht.

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